- Ausstellung - titel: Sieben Neumarkter Kunstpreisträger
- Ausstellung - Datum und Veranstalter: 02.04. - 01.05.2023
- Ausstellung - info: Mit Werken von: Hubert Baumann, Lothar Fischer, Bernhard Maria Fuchs, Franz Pröbster Kunzel, Harry Meyer, Ernst Stärz, Franz Weidinger.
- ausstellung-zusatzinfo: MAMUZ Museum, m*zone Waldstraße 44-46, 2130 Mistelbach/Österreich
- Ausstellung - titel: Kinesis
- Ausstellung - Datum und Veranstalter: 2021<br />Bode-Galerie Nürnberg
- Ausstellung - info: Einzelausstellung
- ausstellung-zusatzinfo:
Kinesis – Die Wesenheit der Bewegung
„Mit meinem Blau male ich Sterne … Aus gleichem Stoff … alles … verwandelt … in Licht in Finsternis …“ (Rose Ausländer) „Kinesis“ nennt Harry Meyer seine jüngsten, seit 2020 entstandenen Ölgemälde – ein Terminus, der nicht auf Anhieb geläufig sein mag. Was also bedeutet „Kinesis“? Der Begriff stammt aus dem Alt-Griechischen und heißt „Bewegung“; philosophiehistorisch ist er hauptsächlich im Bezugsrahmen der aristotelischen Physik und Metaphysik sowie deren Auslegung verortet. Der Beweis für die Bewegung als solche wird durch deren Wahrnehmung erbracht – ganz einfach: es gibt sie, als Phänomen. Weit weniger klar ist, was sie eigentlich „ist“ – im aristotelischen Sinne definiert ist Bewegung insbesondere diejenige, welche als eine Veränderung von Form und Stoff gefasst wird. Bewegt oder verändert werden Substanzen, Quantitäten, Qualitäten und der Ort.
Bewegen und „bewegt werden“; verändert „werden“; aktiv und passiv – Komplexität scheint auf, simple Erklärungsmuster – offensichtlich Fehlanzeige.
Der Betrachter wendet sich, Antwort erheischend, an Harry Meyers Bilder. Zunächst jedoch tauchen noch mehr Fragen auf, allen voran: Warum ist alle Bewegung blau?
Das Blau ist die häufigste Farbe, es beherrscht die Gemälde in all seinen Tönungen und Schattierungen: blauschwarz, blaugrau, blaugrün, blaugolden, hellblau, dunkelblau. Die beiden letztgenannten Bezeichnungen sind wichtig, indem sie mit „hell“ bzw. „dunkel“ auf das „Licht“ verweisen, welches einen wesentlichen Bestimmungsfaktor der Kunst Harry Meyers ausmacht. Das Licht spielt mit und auf seinen Farbflächen, schattiert, modelliert, formt – genau: Bewegung! Die Vertiefung der Bildbetrachtung – wobei die Konnotation der „Tiefe“ hier keineswegs willkürlich ist – führt die Gedanken über das „bewegte Blau“ zu denjenigen Phänomenen der Natur, die am eindrücklichsten mit Blau in Verbindung stehen (und im Übrigen seit Anbeginn seines künstlerischen Schaffens Gegenstand der Auseinandersetzung Harry Meyers mit der Phänomenologie der Natur sind): Wasser, Meer, Himmel. Die Mannigfaltigkeit möglicher Bewegung und Bewegungsarten überwältigt. Erkennbar werden Strömungen, Wirbel, Strudel, Turbulenzen; es strömt, fließt und strahlt mit geballter Energie und Kraft – und dies gilt gleichermaßen für das Wasser wie für das Licht. „Kinesis“ eröffnet Einsichten und innere Bedeutungs-Zusammenhänge: Licht-Strahl und Wasser-Strahl; strömendes Wasser und Licht, das sich im Verströmen seiner selbst zeigt; Wasser-Wirbel und Wirbel-Sturm, aber auch ein Lichter-Meer und Lichtreflexionen im Wasser – „Kinesis“ bewegt den Betrachter, hält Sinne und Geist buchstäblich „am Laufen“.
Und genau hier und jetzt ist Einhalt zu gebieten – dem Lauf, der immer weiter geht, potentiell immer schneller wird, zu schnell möglicherweise, und infolgedessen nicht mehr kontrollierbar, nicht mehr berechenbar ist.
Von Wirbeln und Turbulenzen war vorhin die Rede; man denkt an ein vom rasenden Sturm aufgewühltes Meer, Wellenberge türmen sich, Konturen und Begrenzungen lösen sich auf. Auch wenn der den tobenden Elementen, der Bewegung in ihrer quasi maßlosen Übersteigerung, ausgesetzte Mensch vernünftigerweise weiß, dass dies ein zeitlich begrenztes Phänomen ist und ein Ende nehmen wird, so ergreift ihn dennoch im akuten Geschehen, im Ereignis der äußeren Turbulenz, eine ebensolche innere, ein Aufruhr der Seele, eine Unruhe, die ihr Gegenteil erstrebt. Ein bestimmter Bestandteil der Geistesgeschichte der „Kinesis“ wird bedeutsam: Am Beginn des Denkens findet sich, neben anderem, eine Betrachtung aller Dinge hinsichtlich des Zustandes ihrer Bewegung bzw. Bewegtheit, gefasst in die Zweiheit von Bewegung und Ruhe, wobei das eine jeweils die Abwesenheit des Anderen bedeutet und umgekehrt. Die aristotelische Philosophie, in ihrer Auseinandersetzung mit der „Kinesis“ und ihrem Gegenteil, dem Stillstand („Stasis“), kommt zu der Erkenntnis, dass – vereinfacht zusammengefasst – beide zwar Gegensätze seien, aber nur gemeinsam als Ursprung der Natur gelten könnten und in ihrem Zusammenwirken essentiell bestimmten, was Natur von allen Artefakten unterscheide: Natur wandelt sich, Artefakte werden von äußeren Einwirkungen verändert. Anders formuliert: was sich bewegt, zur Ruhe kommt, und erneut aus sich selbst heraus in Bewegung überzugehen vermag, lebt. Und weder eine ununterbrochene Bewegung, die zum Selbstzweck zu werden droht, noch ein passiver, seine Möglichkeiten ungenutzt lassender Stillstand, sind ideal. Das Dasein muss und kann sich nur im Wandel der Zustände von Bewegung und Nichtbewegung vollständig realisieren.
Wurde vorhin festgestellt, dass das „wildbewegte Blau“ die „Kinesis“-Gemälde von Harry Meyer dominiert, so bestätigt uns der Künstler die oben angeführte Erkenntnis zum Wechsel und Kreislauf von „Kinesis“ und „Stasis“, gerade indem er eine Ausnahme macht: weiße „Kinesis“. Natürlich denkt der Betrachter zuerst an Schnee und Eis, an Wind und Sturm, an Verwehungen und ihre verkrusteten Strukturen, gefrorene und angehaltene „Kinesis“. Es gibt jedoch eine weitere mögliche Sichtweise: die weiße „Kinesis“ kann für die Meerwasser-Saline stehen. Das konzentrierte „weiße Gold“ des Meeres, kristallin verfestigt, und in dieser Gestalt der ultimative Gegensatz zur permanent bewegten Wasseroberfläche, dem Wellengang mit seinem Rauschen und Toben. Das Meer erscheint geradezu versteinert, zur Erstarrung gebracht, seine Bewegung im Moment äußerster Intensität festgezurrt – wenn auch nur auf einem begrenzten und fest umrissenen Terrain. Die Salinen-Bauern, welche es vorziehen, Salz-Gärtner genannt zu werden und ihre Arbeitsstätten als Salzgärten bezeichnen, kultivieren das Meersalz und bauen es ab. Sie tun dies sorgsam, bedächtig und langsam, voller Achtung und Respekt vor der Materialität des „weißen Goldes“ aus dem Meer. „Kinesis“ und „Stasis“ – Dualismus, keine Gegnerschaft.
Harry Meyers „Kinesis“-Gemälde wurden im Verlaufe der vorliegenden Erörterung vornehmlich unter Zuhilfenahme von Begrifflichkeiten aus der antiken Philosophie beschrieben. Nun ist es wohl so, dass die „Welterklärungen“ der „alten Weltweisen“, wie sie des Öfteren genannt zu werden pflegen, mit den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften nicht mehr ohne Weiteres oder vollständig in Einklang zu bringen sind. Ist das niemandem aufgefallen? Hat man es einfach vergessen? Abgesehen davon, dass eine Art natürlicher Scheu davon abhält, solche Erkenntnisse auch nur als überholt, und schon gar nicht als falsch, zu bezeichnen – die Frage ist obsolet. Was die „alten“ Philosophen erforscht und erkannt haben, ist für uns bedeutsam, weil es uns auffängt, trägt und festhält – in einer Welt, die uns vielfach als aus den Fugen geraten begegnet. Dasselbe erfahren die Betrachter mit Harry Meyers Gemälden. Der Künstler setzt Bewegung, geistige Strömungen, in Bilder um, deren Farben, allen voran das Blau, eben diese Bewegung – wie auch ihr Gegenstück – vergegenständlichen. Die Farbe ereignet sich auf dem Bild. Harry Meyer verspricht das Blaue vom Himmel herunter und hält sein Versprechen – wahrhaftig.
Brigitte Herpich M. A.
Literatur:
Kreuzer, Johann, Artikel „Licht“, in: Konersmann, Ralf (Hrsg.), Wörterbuch der philosophischen Metaphern, 2. Unveränderte Auflage, Darmstadt 2008, S. 207-224
Westphal, Kristin, Artikel „Bewegung“, in: Günzel, Stephan (Hrsg.), Lexikon der Raumphilosophie. Unter Mitarbeit von Franziska Kümmerling, Darmstadt 2012, S. 54, 55
Artikel „Farbe“, in: Zedler, Johann Heinrich, Großes Vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Band 9, Leipzig und Halle 1735, Spalten 223-245
- einzelnes Bild:
- Ausstellung - titel: Harry Meyer - Im Dialog
- Ausstellung - Datum und Veranstalter: 1.11.2017 - 30.3.2018<br />Alte Universität, Eppingen
- Ausstellung - info: Einzelausstellung im Stadt- und Fachwerkmuseum "Alte Universität", Eppingen
- ausstellung-zusatzinfo:
Museumstour
von Brigitte Herpich
Es ist nicht das erste Mal, dass der Künstler Harry Meyer seine Werke in einem Museum präsentiert: Vielmehr führt er eine Tradition fort, die er vor zehn Jahren im Diözesanmuseum in Eichstätt begründet und die er mittlerweile an den verschiedensten Orten der Museumslandschaft fortgesetzt hat. Seine aktuelle Ausstellung führt ihn in das Stadt- und Fachwerkmuseum "Alte Universität" im baden-württembergischen Eppingen, ein repräsentatives Fachwerkhaus aus dem späten 15. Jahrhundert. Harry Meyers Plastiken und Ölgemälde begegnen dort den Zeugnissen der regionalen und lokalen Geschichte, und ebenso dem Gebäude als solchem und seinem „genius loci,“ dem „Geist, der an einem Ort herrscht“; mit anderen Worten: der konkreten und jeweils eigenen Realität, welcher der Mensch an einem bestimmten Ort gegenübersteht, mit der er sich auseinandersetzen und mit der er letztendlich zu Rande kommen muss.
Ein Ort ist also ein Raum mit einem bestimmten eigenen Charakter – welchen Charakter nun hat ein Museum, und was ist die besondere Wesenheit von Räumen in einem gotischen Fachwerkhaus? – Lassen wir uns von Harry Meyers Werken leiten. Die Architektur der Gotik, als deren herausragende Schöpfung die Kathedrale gilt, ist gekennzeichnet durch die Betonung der Vertikalen, des Strebens zum Himmel.
Der Preis für die Verwirklichung schwerelos erscheinender Räume waren ebenso diffizile wie labile Gewölbe, für die ihre Erbauer an die Grenze des Machbaren gehen mussten – und immer wieder über ihre eigenen Grenzen hinaus. Die Himmelsgewölbe auf Harry Meyers von Sternenlicht durchfluteten Nächten spiegeln dieses Streben nach dem Himmel wider: Himmelsleitern gleich winden sich Stränge materialisierter Energie nach oben; ob es sich dabei um die Lebensenergie der Erde, diejenige der in ihr wurzelnden Bäume, um gestaltgewordene Lichtenergie oder um eine symbiotische Verbindung all dieser Energien handelt, lässt der Künstler offen – es ist auch nicht wichtig. Gleich der Natur, die mit der Dämmerung in die Umarmung der Nacht zurückkehrt, ist dem Betrachter des Himmelsgewölbes der Atem des Universums, wenn auch ungreifbar, so doch spürbar und präsent.
Es entstehen, in einem Zusammenwirken von musealem Raum und Bildraum, eine ganz eigene Stille und Ruhe, die ein tiefes und tiefergehendes Wahrnehmen wieder möglich machen. Das Licht in Harry Meyers Bildern – sei es der mitreißende Lichtsog in den „Lux“-Gemälden oder das Funkeln einzelner Sterne am nächtlichen Firmament – lässt die Erinnerung daran wieder aufflammen, dass mit dem Licht auch die Orientierung im Raum „aufdämmert“. Und es schließt auch den Kreis zum Raum, im vorliegenden Fall zu dem des Museums: Der „vorgefundene Behälterraum“ verändert sich, er ist „nicht länger das homogene dreidimensionale Gefäß zur Unterbringung von Sachen und Lebewesen“. Er erfüllt, im Dialog mit der Kunst, seine Potentialität.
This is not the first time that the artist Harry Meyer has presented his works in a museum. Indeed, he is carrying on a tradition that he began ten years ago at the Diocesan Museum in Eichstätt and has continued at a variety of places across the museum landscape. His current exhibition takes him to the “Alte Universität” museum in Eppingen in Southwest Germany, a museum devoted to the town and to half-timbered architecture and housed in an impressive half-timbered building from the late 15th century. There, Harry Meyer’s sculptures and oil paintings encounter evidence of local and regional history as well as the building itself and the genius loci, the spirit of the place; in other words: the concrete and in each case singular reality that one is confronted with in a certain place and with which one has to engage and ultimately come to terms. A place is therefore a space with a certain character of its own. Now, what character does a museum have, and what is the particular essence of rooms in a Gothic half-timbered house? Let us allow Harry Meyer’s works to guide us. Gothic architecture, the most outstanding achievement of which is considered to be the cathedral, is characterised by its emphasis of the vertical, its striving towards the heavens. The realisation of apparent weightlessness came at the price of having to build vaults that were as difficult as they were precarious and for which their builders had to go to the limits of the possible – and not seldom beyond their own limits. The heavenly vaults depicted in Harry Meyer’s starlit nights reflect this striving towards the heavens. Like Jacob’s ladders, strands of materialised energy twist their way upwards. Is it the vital energy of the Earth, that of the trees rooted in it, light energy in physical form, or a symbiotic combination of all these forms of energy? The artist leaves it open – it is not important either. Like nature returning to the embrace of night at dusk, the viewer of the celestial vault can sense the presence of the breath of the universe, intangible though it is. The synergy of museum space and image space produces a silence and peace all of their own that enable the viewer to re-attain a more profound level of perception. The light in Harry Meyer’s paintings – be it the irresistible pull of light in his “Lux” series or the twinkling of individual stars in the night sky – rekindles the memory in the viewer that it is with light that orientation “dawns” on one in space. This brings us full circle to the space in this case, which is that of the museum. The “encountered container space” is transformed; it is “no longer a homogeneous three-dimensional receptacle for inanimate objects and living things”. In dialogue with art, it fulfils its potentiality.
by Brigitte Herpich - Ausstellung Einzelbild:
- einzelnes Bild:
- Ausstellung - titel: Magie der Farbe
- Ausstellung - Datum und Veranstalter: 2009<br />Kunsthalle Dominikanerkirche Osnabrück
- Ausstellung - info:
Pastose Malerei, Farbkörper, Farbräume, 2009
Kunsthalle Dominikanerkirche Osnabrück
Es erschien ein Ausstellungskatalog. Texte: Marike van der Knaap M.A., André Lindhorst, Dr. Andreas Vohwinckel, Prof. Dr. Peter Anselm Riedl, Rüdiger Heinze, u.a. mit: Bram Bogart, Jan de Beus, Stefan Gritsch, Justus Jahn, Zebedee Jones, Werner Knaupp, Dieter Krieg, Eugène Leroy, Matthias Lutzeyer, Harry Meyer, Adolphe Monticelli, Erik Oldenhof, Marie Jose Robben, Patrick Rohner, Jochen Schambeck, Bernd Schwarting, Rainer Splitt, ‚Michael Toenges, Kees van Bohemen, Theo Wolvecamp, u.a.