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Harry Meyer Malerei

Harry Meyer

Aktuelle Ausstellungen / Vorschau

Neue Werkserien

06.10. bis 24.11.2024
Ausstellungsdauer: 6. Oktober - 24. November 2024 Eröffnung am 6.10.2024 ab 11:30 Grußwort: Jürgen K. Enninger, Kulturreferent der Stadt Augsburg Einführung: Prof. Dr. Tobias Loemke, HfWU Nürtin...

Kulturlandschaft

02.06. bis 30.06.2024
02.06. bis 30.06. „KulturLandschaft“ lautet der Titel unserer neuen Ausstellung, die Gemälde von Harry Meyer (Augsburg) und Holzskulpturen von Martin Kargruber (Geltendorf) zusammenführt. Zur Vern...

cross view

13.07. bis 24.08.2024
13.07. bis 24.08.2024 Künstler: Jan Gemeinhardt, Nürnberg / Malerei; Stefanie Hofer, München / Radierung; Martin Kargruber, Geltendorf / Holzplastik; Michael Königer, Mühlhausen / Steinplastik; Wo...

Ausstellungen, Rückblick

Jörg Bach + Harry Meyer

20.9. - 17.11.2023
Eröffnung am Mittwoch den 20. September um 18.30; Einführung: Dr. Stefanie Dathe, Direktorin Museum Ulm;

ROMANTILLE

17.02. - 30.03.2024
GALERIE CYPRIAN BRENNER / Schwäbisch Hall ROMANTILLE Magie der Landschaft Landschaftsausstellung in der Galerie Cyprian Brenner | Schwäbisch Hall anlässlich des 250. Geburtsatgs von Caspar David F...

Harry Meyer - Bäume

30.09.2023 – 28.10.2023
Harry Meyer - Bäume 30.09.2023 – 28.10.2023 Galerie Meier Herrenstraße 38 79098 Freiburg

Großes Wiedersehen

03.03. - 14.04.2024
03. März bis 14. April 2024 in der städtischen Galerie Wertingen In der Stadt Wertingen hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten ein überaus reiches und vielfältiges Kunstleben etabliert. Aus ...

KIAF, Seoul, Korea

05.09 - 10.09.2023
mit Otto Dix, Max Ackermann, Woo Jong Taek, Dietrich Klinge, Harry Meyer und Alain Clement 5. bis 10. September 2023 513, Yeongdong-daero, Gangnam-gu, Seoul COEX 1F, Hall A&B, Grand Ballroom

22 JAHRE KÜNSTLERHAUS - Sammlungspräsentation

04.03. - 01.05.2023
22 JAHRE KÜNSTLERHAUS MARKTOBERDORF Mit Werken von: Hannes Arnold | Edith Baumann | Reinhard Blank | Renate Bühr | Richard Burkart | Terence Carr | Peter Casagrande | Andreas Decke | Iris Flexer |...

35 Jahre Städtische Galerie Ochsenhausen 1988-2023

12.03. - 14.05.2023
35 Jahre Städtische Galerie Ochsenhausen 1988-2023 Städtische Galerie im Fruchtkasten des Klosters Ochsenhausen 12. März - 14. Mai 2023 Mit Werken von: Siegfried Assfalg, Christopher Lehmpfuhl, ...

UMNACHTET - BESTIRNT: Das Nächtliche in der Kunst

29.09. - 25.11.2022
UMNACHTET - BESTIRNT: Das Nächtliche in der Kunst Stiftung BC - pro arte, Bismarckring 66, 88400 Biberach 29. September - 25. November 2022 Die Gruppenausstellung widmet sich dem ebenso existentiel...

Funken der Ewigkeit

17.09. - 22.10.2022
Funken der Ewigkeit 17. Sep - 22. Okt 2022 Einzelausstellung Haus der Kunst Galerie Andreas Lendl Joanneumring 12 8010 Graz - Österreich

"Das letzte Hemd hat keine Taschen“

17.07. - 28.08.2022
"Das letzte Hemd hat keine Taschen“ zum Thema Tod 17. Juli - 28. August 2022 Galerie Peter Tedden, Düsseldorf und Oberhausen Kranhalle Oberhausen, Mühlenstr. 125, 46047 Oberhausen Zur Ausstellung e...

Kinesis

(E) 2021
Ausstellung in der Bode-Galerie Nürnberg

Cross Over

10.06. bis 03.07.2023
Werkserien der letzten Jahre

Kuratorische Tätigkeit

Ansgar Skiba

WASSERstoff - alles in Fluss

mit Werken von Franz Baumgartner, Jochen Hein, Peter Lang, Ansgar Skiba, Sonja Weber, Christof Rehm, Anna Arnskötter, Jörg Bach, Willi Weiner, Barbara Ehrmann, Ulrike Hohgrebe, Patrick Rohner, Josef Zankl, Gerlinde Zantis, Petra Schuppenhauer

Die Linie - als malerisches Phänomen - 2

mit Werken von Susanne Ackermann, Cigdem Aki, Georg Bernhard, Doris Hahlweg, Carolina Kreusch, Jochen Schambeck

kuratiert von Harry Meyer

zur Ausstellung erscheint ein Katalog

Cross Over - zeitgenössische figurative Kunst aus bayerischen Ateliers

Die Linie - als malerisches Phänomen

mit Werken von Werner Knaupp, Herbert Mehler, Richard Vogl, Herbert Nauderer, Stefanie Hofer, Martin Kargruber, Nina Annabelle Märkl, Georg Thumbach, Lena Schabusm, Bruno Wank, Michael Königer, Wolfgang Mennel, Brigitte Stenzel, Sarah Zagefka, Elke Zauner, Heiko Herrmann, Woo Jong Taek, Astrid Schröder, Annegret Hoch, Andrea Sandner, Gerd Kanz und Peter Kampehl

kuratiert von Harry Meyer

zur Ausstellung erscheint ein Katalog

Cross Over / Die Linie

Reflexionen #1

Sfumato in der Landschaftsmalerei – Die Auflösung der Gegenständlichkeit

Seit geraumer Zeit arbeite ich an einer neuen Werkserie meiner Landschaftsmalerei; Bilder, die bis dato unter dem Arbeitstitel „Ur“-Landschaften figurieren, als Landschaft des Ursprungs, vor Mensch und Zeit. Die ersten Vorläufer entstanden seit Anfang 2020.

Diese Werkserie verkörpert meine Idee des „pastosen malerischen Sfumato" und bedeutet für mich die Erweiterung der Maltechnik des Sfumato, als deren Erfinder Leonardo da Vinci (1452–1519) gilt, um meinen pastos-reliefartigen Farbauftrag.
...

Seit geraumer Zeit arbeite ich an einer neuen Werkserie meiner Landschaftsmalerei; Bilder, die bis dato unter dem Arbeitstitel „Ur“-Landschaften figurieren, als Landschaft des Ursprungs, vor Mensch und Zeit. Die ersten Vorläufer entstanden seit Anfang 2020.

Diese Werkserie verkörpert meine Idee des „pastosen malerischen Sfumato" und bedeutet für mich die Erweiterung der Maltechnik des Sfumato, als deren Erfinder Leonardo da Vinci (1452–1519) gilt, um meinen pastos-reliefartigen Farbauftrag.

Leonardo hatte den Begriff geprägt und die Technik in den Hintergrundlandschaften seines Spätwerks angewandt. Jedoch sind auch andere Maler für eine Verwendung des Sfumato bekannt; unter anderen Giorgione (1478–1510), Antonio da Correggio (1489–1534), Federico Barocci (1535–1612) und Bernardino Luini (1480–1531). Im weiteren Verlauf der Kunstgeschichte haben sich Bartolomé Esteban Murillo (1617–1682) und Antoine Watteau (1684–1721) mit dieser Technik in der Malerei auseinandergesetzt.

Als einer der Meister und Vollender dieser Bild-„Anatomie" darf William Turner (1775- 1851) gelten. Er ist der Maler der Elemente und des Lichts, welches durch ein Minimum an Gegenständlichkeit wiedergegeben wird. Die Themen seiner Bildwerke sind Licht, Feuer, Wasser, Dunst und Raum. Durch die völlige Entmaterialisierung seines Bildraumes, durch Auflösung und Dekomposition, verwandelt sich die vorhin erwähnte Bild-„Anatomie" in einen „geistigen" Bildraum: Eine faszinierende Möglichkeit, die Energie der Natur und des Lebens zu visualisieren und somit der Gegenentwurf zu einer Devastierung bzw. Verödung oder auch „Entleerung“ des Bildraums. In der zeitgenössischen Kunst zeigen Werkbeispiele des im Januar 2021 verstorbenen Arik Brauer die Verwendung der malerischen Technik des Sfumato; wobei der Künstler hier nicht Konturen einer Landschaft im Hintergrund, sondern vor allem die Figuren im Vordergrund "weichgezeichnet" hat.

Von besonderer Bedeutung für mich als Landschaftsmaler ist Albrecht Altdorfer (um 1480–1538). Er hat ab 1522 erstmals in der europäischen Malerei die Landschaft – und somit auch phänomenologische Elemente – zum eigentlichen und selbständigen Bildthema gemacht. Folgerichtig sind der „Dunst", das Sfumato oder die „Atmosphäre" Bestandteil der Bildgattung „Landschaft“. Von mir selbst sind bisher 25 kleinere Arbeiten zu diesem Thema realisiert. Die großen Formate werde ich noch in Angriff nehmen. Ich stelle mir dafür im Moment Gemälde in der Größe von ca. 90 x 240 cm vor, das heißt also im Seitenverhältnis von 1/2,666. Als Künstler habe ich nicht nur meine Themen zu entwickeln, sondern auch die dafür geeigneten Formate.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal auf Leonardo da Vinci zurückkommen, Künstler und Universalgelehrter. Wieder hat er etwas als Erster erkannt, nämlich dass die Bläue der Ferne vom Element Luft abgeleitet werden kann. Er benennt dieses Phänomen „Luftperspektive“, ein anderer Begriff ist „Opaleszenz“ – thematisiert werden die spezifischen Sichtverhältnisse in der Landschaft. Nämlich erscheinen, verursacht durch Spiegelungen und die Absorption des Lichts, weiter entfernte Objekte im Raum heller oder bläulicher.

Für den Landschaftsmaler bedeutet dies, dass sich durch die Abmischung der Farbtöne in Richtung Weiß und/oder Blau Ferne erzeugen lässt, und dass in der Folge der Farbigkeit eine illusionistische Räumlichkeit entsteht. Insofern ist Luftperspektive eine Erscheinungsform der Farbperspektive. Von der Renaissance bis zum aufkommenden Impressionismus sind Farb- bzw. Luftperspektive in Allianz mit der Zentralperspektive, vorherrschend in der Darstellung. Erst der Impressionismus entwickelte Multiperspektiven und aperspektivische, gewissermaßen psychologische, Auffassungen von Raum. Speziell in der Romantik wurden diese malerischen Strategien eingesetzt, um Sehnsucht, Weite und Alleinsein mit der Natur darzustellen. Ein exemplarisches Gemälde hierfür ist das des Caspar David Friedrich von 1809, „Böhmische Landschaft mit dem Milleschauer".

Reflexionen

Reflexionen #2

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Biennale der Zeichnung (1 bis 8) von 2004 bis 2018 im Kunstverein Eislingen

Der Kunstverein Eislingen, in der Person des langjährigen Vorsitzenden Paul Kottmann (geb. 1947) als Kurator des Projekts, hat von 2004 bis 2018 alle zwei Jahre die „Biennale der Zeichnung“ veranstaltet. Es wurden im Rahmen dieses Formats rund 200 unterschiedlichste künstlerische Positionen gezeigt.

Jede der Ausstellungen stand unter einem bestimmten Motto, zu dem dann die entsprechenden Künstler eingeladen wurden, deren Werk dieses Thema widerspiegelte.

Kottmann hat – ehrenamtlich! – diese Ausstellungsreihe aus der Taufe gehoben, kuratiert, den Katalog gestaltet und erstellt, für die Finanzierung gesorgt, die Hängung erledigt, die Künstler betreut, Leihverträge geschlossen, usw. Eine Ein-Mann Show ohne Netz und doppelten Boden, die man nicht oft beobachten kann. Ein Kunstliebhaber, der für seine Leidenschaft brennt und sich dafür bis an die Grenzen des Möglichen eingesetzt hat. Künstlerfreunde wie Konrad Hummel waren zwar beratend an seiner Seite, aber im Grunde hat Kottmann diese Performance alleine vollbracht. Jedes einzelne dieser Ausstellungsprojekte wurde von einem umfangreichen Ausstellungskatalog begleitet.

Biennale der Zeichnung (1 bis 8) von 2004 bis 2018 im Kunstverein Eislingen

Der Kunstverein Eislingen, in der Person des langjährigen Vorsitzenden Paul Kottmann (geb. 1947) als Kurator des Projekts, hat von 2004 bis 2018 alle zwei Jahre die „Biennale der Zeichnung“ veranstaltet. Es wurden im Rahmen dieses Formats rund 200 unterschiedlichste künstlerische Positionen gezeigt.

Jede der Ausstellungen stand unter einem bestimmten Motto, zu dem dann die entsprechenden Künstler eingeladen wurden, deren Werk dieses Thema widerspiegelte.

Kottmann hat – ehrenamtlich! – diese Ausstellungsreihe aus der Taufe gehoben, kuratiert, den Katalog gestaltet und erstellt, für die Finanzierung gesorgt, die Hängung erledigt, die Künstler betreut, Leihverträge geschlossen, usw. Eine Ein-Mann Show ohne Netz und doppelten Boden, die man nicht oft beobachten kann. Ein Kunstliebhaber, der für seine Leidenschaft brennt und sich dafür bis an die Grenzen des Möglichen eingesetzt hat. Künstlerfreunde wie Konrad Hummel waren zwar beratend an seiner Seite, aber im Grunde hat Kottmann diese Performance alleine vollbracht. Jedes einzelne dieser Ausstellungsprojekte wurde von einem umfangreichen Ausstellungskatalog begleitet.

Die 1. Biennale der Zeichnung mit dem Titel „zeichnung entdecken“ fand 2004 in der Galerie des Kunstvereins in der Alten Post in Eislingen statt. Kottmann lud 27 internationale Zeichner ein. Darunter den legendären Bildhauer und Zeichner Jürgen Brodwolf, der mit seinen Tubenfiguren einen markanten Beitrag zur Entwicklung der Kleinplastik lieferte. Diese idolhafte Tubenfigur, die Brodwolf seit beinahe 60 Jahren bearbeitet, hat er im Laufe der Jahre zu immer neuen Figurentypen weitergeformt. Der Documenta-Teilnehmer (1977) Brodwolf war Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und hat dort viele begabte Studenten ausgebildet, wie Camille Leberer und Karin Sander. Auch der Karlsruher Albrecht von Hancke war mit seinen meisterhaft dicht gezeichneten Figuren (etruskische Figuren, Io, Thea und Pitane) an der Schau beteiligt. Der österreichische Zeichner Fritz Panzer, der mit seinen Drahtskulpturen den Kosmos der Zeichenkunst um einen markanten Aspekt erweitert hat – hin zur begehbaren Zeichnung –, war mit kleinen Tuschezeichnungen, die man wohl als Skizzen zu seiner Werkserie der Raumzeichnungen zu verstehen hat, vertreten. Des Weiteren waren zwei merkwürdige Pastelle vom Norweger Olav Christopher Jenssen zu sehen. Die japanische Zeichnerin Leiko Ikemura zeigte Entenwesen und Wellen. Mit den gezeichneten Blättern aus der „Alten Nationalgalerie Berlin“ brachte Matthias Beckmann einen zusätzlichen Aspekt in die gut kuratierte Schau ein. Zeichnungen von Museumsinstallationen als Thema – eine tolle Idee.

Auch mein alter Künstlerfreund Konrad Hummel war mit einem seiner geheimnisvollen Verdunklungsversuche vertreten. Ein großes Blatt (170x150 cm), das Raum, Klang und Zeit erkundet.

Kottmann hatte diese Schau zusammengestellt, um einen Einstieg in die Welt der Zeichnung zu vermitteln. Auf der Grundlage dieser „Einführung“ haben sich die Themen der folgenden Jahre und deren Protagonisten ergeben.

„zeichnung entdecken – 27 internationale zeichner: die vielfalt zeitgenössischer zeichnung“

Matthias Beckmann / Oliver Belling / Andreas Bindl / Astrid Brandt / Gerda Brodbeck / Jürgen Brodwolf / Barbara Ehrmann / Bettina van Haaren / Albrecht von Hancke / Johannes Hewel / Katharina Hinsberg / Konrad Hummel / Leiko Ikemura / Olav Christopher Jenssen / Romane Holderried-Kaesdorf / Ulrike Kirbach / Paco Knöller / Nanne Meyer / Fritz Panzer / Heike Pillemann / Hanns Schimansky / Sibylle Schlageter / Rudolf Schoofs / Fritz Schwegler / Hannes Steinert / Sam Szembek / Andrea Zaumseil.


Die 2. Biennale der Zeichnung stand unter dem Thema „Menschenbilder“. Auch die „Menschenbilder“ waren wieder international besetzt, mit Positionen wie der Amerikanerin Joan Linder, der in Amsterdam lebenden Marlene Dumas, oder Carol Rama mit Wohnsitz im italienischen Turin. Insbesondere die Zeichnung „Doppio Enigma“, das zweifache Rätsel, gibt mir noch heute zum Sinnieren Anlass. Rama (1918-2015) kann man getrost als „legendär“ bezeichnen. Sie hat in ihrer langen Lebensspanne, die sich nur um die Kunst drehte, mit unzähligen Künstlerpersönlichkeiten wie Man Ray, Edoardo Sanguineti oder Andy Warhol, Austausch gepflegt. Bereits 1998 wurde ihr vom Stedelijk Museum in Amsterdam eine Retrospektive ausgerichtet; 2003 erhielt sie einen Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk auf der Biennale Venedig.

Von der damals noch in Hamburg lehrenden Koreanerin Eun Nim Ro war eine ihrer auf Maulbeerpapier erstellten großen Blattfiguren zu bewundern – eine symbiotische Darstellung von Pflanze, Tier und Mensch. Eine ähnliche Auffassung vertritt die Madriderin Yolanda Tabanera in ihren kleinen Tuschebildern (zeitgleich zur Biennale war in der Münchner Galerie van de Loo eine Ausstellung von ihr zu sehen). In Eislingen sah man auch Pastelle und ein Aquarell von dem als Steinbildhauer bekannten Alfred Hrdlicka. Ich selbst war an dieser Ausstellungsfolge mit drei Blättern aus der Serie „Figurabilitas“ (2002) beteiligt.

Die Katalogbeiträge wurden verfasst vom Leiter der Redaktion Kultur bei den Badischen Neuesten Nachrichten in Karlsruhe, Michael Hübl, sowie dem Philosophen Dr. Franz Träger mit seinem denkwürdigen Essay „Menschenbilder ODER verwunderlich, daß heutigentags Alberto Giacometti nicht mehr rezipiert wird“.

„menschenbilder – 30 internationale zeichner und zeichnerinnen: die menschliche figur“

Martin Assig / Erik Buchholz / Holger Bunk / Marlene Dumas / Monika Grube / Andreas Grunert / Alfred Hrdlicka / Christofer Kochs / Norbert Kraus / Eckhard Kremers / Volker Lehnert / Joan Linder / Markus Lörwald / Harry Meyer / Herbert Nauderer / Susanne Neuner / Danica Phelps / Carol Rama / Eun Nim Ro / Volker Saul / Cornelia Schleime / Uta Siebert / Anna Solecka und Wolfgang Zach / Ágnes Szépfalvi und Csaba Nemes / Yolanda Tabanera / Angela Vischer / Raimund Wäschle / Danielle Zimmermann.


Bei der 3. Biennale in 2008 waren 28 Positionen zur Abstraktion zu sehen. Insbesondere die minimalistischen Zeichnungen von Linda Karshan, die in London lebt, sind mir in der Erinnerung geblieben. Als Leihgeber fungierte hier die auf Zeichnung spezialisierte Galerie Werner Klein aus Köln, dies gilt ebenso für eine der Strichgitter-Zeichnungen von Katharina Hinsberg. Eine der großen Zeichnungen zum Thema „Kraftfelder“ des deutschen KünstlersThomas Müller strahlte in Eislingen ihre Energie aus. Thomas Müller wurde später, in 2018, von Sean Scully in der viel beachteten Reihe seiner Atelierausstellungen in New York gezeigt. Dieselbe eigenartige energetische Kraft spürte man auch in den vier Zeichnungen von Norbert Prangenberg.

Die Katalogbeiträge stammten in diesem Jahr von Gerhard van der Grinten und Clemens Ottnad.

„was ist hier zu sehen? – 28 internationale zeichner und zeichnerinnen zum thema abstraktion“

Franziska Bark / Ruth Baumann / Lucie Beppler / Karoline Bröckel / Klaus Heider / Katharina Hinsberg / Veronike Hinsberg / Marietta Hoferer / Linda Karshan / Camill Leberer / Thomas Müller / Ronald Noorman / Friederike Oeser / Norbert Prangenberg / Eberhard Ross / Hanns Schimansky / Brigitte Schwacke / Malte Spohr / Greg Stone / Sam Szembek / Wolfgang Troschke / Manfred Vogel / Karl Vollmer / Stefan Wehmeier / Willi Weiner / Mark Williams / Michael Wolff / Isabel Zuber.


Unter dem Thema „innenaussen“ stand die 4. Biennale in 2010. Mit den exakten Strichzeichnungen von Innenräumen der Barbara Camilla Tucholski spannte sich der Spannungsbogen zur Installation „mit Bett“ des Heilbronners Peter Riek. Gegenüber war dann auch eine der bereits oben erwähnten Drahtskulpturen von Fritz Panzer zu erleben. Das Landschaftsthema vertrat die Schweizerin Monica Ursina Jäger mit ihrer expressiven, 68x218 cm großen Zeichnung „outlands“ sowie die Berlinerin Nanne Meyer. Als Gegenpol hierzu fungierten die präzisen Bleistiftzeichnungen von der an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig ausgebildeten Astrid Brandt. Eine schöne Wiederbegegnung hatte ich auch mit den Werken von German Stegmaier. Wir beide konnten 1994 auf den Vorschlag des Freistaats Bayern hin unsere Arbeiten für das Stipendium der „Villa Massimo“ Rom in der Bundeskunsthalle in Bonn vorstellen – dort war ich ihm und seinem prägnanten Werk zum ersten Mal begegnet.

Die Einführung des Kataloges wurde von Dr. Günter Baumann übernommen.

„innenaussen – 27 internationale zeichnerinnen und zeichner zum thema räume“

Caroline Bayer / Astrid Brandt / Thomas Cena / Othmar Eder / Frank Gerritz / Konrad Hummel / Monica Ursina Jäger / Ulrich Klieber / Eberhard Knauber / Pauline Kraneis / Alexander Johannes Kraut / Philip Loersch / Nanne Meyer / Andreas Opiolka / Fritz Panzer / Peter Riek / Sebastian Rug / Uwe Schäfer / Silke Schatz / Johannes Schießl / Sibylle Schlageter / Frauke Schlitz / German Stegmaier / Hannes Steinert / Barbara Camilla Tucholski / Rolf Urban / Mathias Völcker.


„zeichnen ohne grenzen“ war dann das Motto der 5. Biennale, zu der auch die damals noch lebende, 1919 geborene Österreicherin Maria Lassnig einen Beitrag lieferte (der vom Münchner Sammler Helmut Klewan zur Verfügung gestellt wurde). Der in Jerusalem geborene Daniel Ben-Hur steuerte eine beeindruckende, 26 Teile umfassende Zeichnungsinstallation bei, die aus seiner Serie von mit den Füßen oder Ellbogen und mit verbundenen Augen gezeichneten, Werke stammt. Eindringlich auch die mit Klebestreifen erstellte Wandzeichnung von Jörg Mandernach von der Künstlergruppe „Die Weissenhofer“.

„zeichnen ohne grenzen – 20 internationale zeichnerinnen und zeichner“

Daniel Ben Hur / Georg Bernhard  / Laura Bruce / Pip Culbert / Tilmann Damrau / Christelle Franc / Stefan Glettler / Rüdiger Hans / Tim Hendel / Isabell Kamp / Maria Lassnig  / Pia Linz / Jörg Mandernach / Christian Pilz / Tim Plamper / Constanze Rilke / Christiane Schlosser / Norbert Schwontkowski / Benjamin Thaler / Richard Vogl.


Die 6. Biennale 2014 hieß „strich um strich“. Mit ihren Cutouts gab die Düsseldorferin Zipora Rafaelov eine schöne Hinleitung zum Thema, ebenso wie der US-amerikanische Minimalist James Howell. Über den aus Ettlingen kommenden Voré mit seinen raumgreifenden Steinplastik-Zeichnungs- Installationen und der großformatigen Tusche-Zeichnung (150x275 cm) „hoch gepokert“ über eine bizarre architektonische Phantasie schließt sich dann der Kreis der präsentierten Werke.

„strich um strich – 24 internationale zeichnerinnen und zeichner“

Danja Akulin / Anica Blagaj / Leonie Brenner / Guillaume Bruère / Christian Frosch / Wolfgang Gäfgen / Niko Grindler / Katrin Günther / Peter Nikolaus Heikenwälder / Brigitte Heintze / Erwin Holl / James Howell / Wonkun Jun / Christiane Löhr / Wolfgang Petrick / Bruno Raetsch / Zipora Rafaelov / Susan Schwalb / Petra Schweifer / Ralf Tekaat / Nisrek Varhonja / Voré / Brigitte Waldach / Barbara Wrede.


Die 7. Biennale der Zeichnung figurierte unter „zeichen setzen“. Der Einzelgänger albertrichard Pfrieger zeigte drei Blätter mit Titeln wie „Laurentius hört schon die Marimba klingen“ oder „Karfreitagsschwüle“. Es ist immer wieder ein Erlebnis, seine Bilderfindungen zu genießen und sich zu überlegen, welche Seite in meiner Seele er damit anspricht. Entsprechend dazu die Titel „Apotheosis of Humanity“ und die geheimnisvollen Blätter des Kubaners Gustavo Diaz Sosa. Beeindruckend Jörg Bach mit seinen Frottagen, die er von seinen eigenwilligen, in sich ruhenden Plastiken herstellt. Eine ähnliche Vorgehensweise beobachtet man auch bei Yehudit Sasportas aus Tel Aviv. Abschließend fällt mir die wunderbare chiffrenhafte Arbeit der Japanerin Akane Kimbara auf, die Kottmann auch als Katalogmotiv wählte. Eine androgyne Figur schlüpft in ihren (?) Meerjungfrauenschwanz, um uns zu entgleiten – große Poesie! Unerwähnt soll auch nicht der eigentlich als Holzbildhauer bekannte Klaus Hack bleiben, der hier als Zeichner im kleinen Format brilliert.

„zeichen setzen – 22 internationale zeichnerinnen und zeichner“

Jörg Bach / Sonja Bendel / Gustavo Diaz Sosa / Kristian Evju / Eva Früh / Sonja Gangl / Dinah Günther / Klaus Hack / Hans-Uwe Hähn / Simon Halfmeyer / Károly Keserü / Akane Kimbara / Manuel Knapp / Sabine Laidig / Anja Luithle / Anne Skole Overgaard / albertrichard Pfrieger / Giulia Ricci / Yehudit Sasportas / Simon Schubert / Ines Spanier / Mirjam Voelker.


„ausgezeichnet“ war der Titel der 8. und letzten Biennale in dieser Form. Sie war vom 9. Juni bis zum 15. Juli 2018 zusehen. Ausgezeichnet im wahrsten Wortsinn waren die urbanen Kohlezeichnungen von Hausfassaden des Belgiers Rik de Boe; oder die naturalistischen Bleistiftarbeiten „Wolken und Wellen“ von Li Trieb. Auch die Aachener Künstlerin Gerlinde Zantis spielte mit ihren realistischen Pastellen und Farbstiftzeichnungen eine „ausgezeichnete“ Rolle in dieser Biennale. Die spröden und schwer zugänglichen figurativen Zeichnungen und Objektkästen von Birgit Brenner, die hauptsächlich in der Galerie Eigen und Art in Berlin oder Leipzig zu sehen sind, hatten ebenfalls ihren Weg in die Biennale gefunden. Als Gegenstücke könnte man die poetischen kleinen Kabinettstücke von Mayumi Okabayaschi betrachten: Sensibel ins Bild gesetzte Strukturen, wie ein feinfühliges Gedicht von Paul Celan oder Adalbert Stifter. Einer der Höhepunkte der Schau war für mich die Plastik als Raumzeichnung des inzwischen in Frankreich lebenden Meisters der Metallplastik, Robert Schad. Flankiert wurde diese von zehn seiner Handzeichnungen in Wachskreide zu seinen skulpturalen Themen.

„ausgezeichnet – 21 internationale zeichnerinnen und zeichner“

Birgit Brenner / Rik De Boe / Herbert Egl / Tone Fink / Nils Simon Fischer / Stefanie Gerhardt / Susan Hefuna / Ingo Lie / Barbara Mathes / Peter Mayer / Koho Mori-Newton / Kazuki Nakahara / Mayumi Okabayashi / Heiner-Matthias Priesnitz / Dorothee Rocke / Robert Schad / Jochen Schneider / Michael Schramm / Li Trieb / Rudi Weiss / Gerlinde Zantis.

Zeichnungs-Ausstellungen sind nur ab und an zu sehen. Seit 2011 ist eine Biennale der Zeichnung in der Metropolregion Nürnberg am Laufen. Diese ist im laufenden Jahr 2021 in ihrer 6. Auflage zu sehen gewesen. Neun Galerien und Museen in der Region präsentierten siebzehn künstlerische Positionen der zeitgenössischen Zeichnung (Kunst Galerie Fürth, Kunstverein Zirndorf, Galeriehaus Nord, Kunstraum des Konfuzius Instituts Nürnberg-Erlangen, Galerie Bernsteinzimmer, Städtische Galerie Schwabach, Kunstmuseum Erlangen, Kunstverein Erlangen und Neues Museum Nürnberg). Da ich mich schon immer für aktuelle Positionen der Zeichnung interessiert habe, bin ich spontan nach Nürnberg gefahren und konnte die Ausstellung von Dasha Shishkin im Neuen Museum in Nürnberg und die von Katja Davar im Galeriehaus Nord, ebenfalls in Nürnberg, besuchen und bewundern. Die eindringliche und gut gehängte Schau von Marcel van Eeden 2019 in der Kunst Galerie Fürth wird mir wohl immer in Erinnerung bleiben.

Von 1984 bis 2001 veranstaltete Konrad Oberländer, in Kooperation mit Dr. Gode Krämer, 14mal mit seiner Atelier-Galerie Oberländer die „Nationale der Zeichnung“ in der Toskanischen Säulenhalle in Augsburg. An dieser Reihe der „Nationale“ war ich zweimal beteiligt – 1996 zum Thema „Bildnis Schädel Maske“ und 2001 unter dem Motto „Eine Bilanz“.

Reflexionen

Reflexionen #3

Über Masken

Die erste Vermutung von mir war natürlich Grebo, wegen der Augengestaltung. Den „Enten“schnabel konnte ich allerdings nicht einordnen.

Erst nach längeren Recherchen ist es mir gelungen, die Maske zu bestimmen. Es handelt sich um eine sogenannte Familienmaske aus dem Dorf Tabou in Westafrika.

Diese wurde tatsächlich nur in einem eng umgrenzten Gebiet von zwei kleinen Dörfern hergestellt und ist dadurch recht selten, da verständlicherweise nicht viele Exemplare benötigt wurden.

Sie stammt aus dem Nachlass der Privatsammlung eines Museumsmannes aus Bremen und wurde Anfang der sechziger Jahre auf einer seiner Expeditionen direkt vor Ort von ihm erworben. Die Ausstrahlung des Originals spricht meiner Meinung nach dafür, dass sie noch im Kult verwendet wurde.

Die tatsächliche Verwendung dieses Stückes bleibt im Dunkel – wobei ich schon glücklich darüber war, überhaupt klären zu können, woher es stammt. Der Informant, der aus einer Familie mit langer Tradition von schwarzafrikanischen Händlern stammt, konnte zwar die Herkunft bestimmen, aber der exakte Verwendungszweck war auch ihm nicht bekannt. Er kannte diese Art von Maske nur deshalb, weil sein Vater ein einziges Mal in seiner langjährigen Tätigkeit ein vergleichbares Exemplar in Händen hielt. Er konnte diese vor Ort in Tabou erwerben, und mit einiger Verzögerung dann ans Musée du Quai Branly in Paris vermitteln. Ihm war die Seltenheit dieser Form von Maske bewusst, so dass er auf das Angebot eines Museums warten wollte.

Über Masken

Die erste Vermutung von mir war natürlich Grebo, wegen der Augengestaltung. Den „Enten“schnabel konnte ich allerdings nicht einordnen.

Erst nach längeren Recherchen ist es mir gelungen, die Maske zu bestimmen. Es handelt sich um eine sogenannte Familienmaske aus dem Dorf Tabou in Westafrika.

Diese wurde tatsächlich nur in einem eng umgrenzten Gebiet von zwei kleinen Dörfern hergestellt und ist dadurch recht selten, da verständlicherweise nicht viele Exemplare benötigt wurden.

Sie stammt aus dem Nachlass der Privatsammlung eines Museumsmannes aus Bremen und wurde Anfang der sechziger Jahre auf einer seiner Expeditionen direkt vor Ort von ihm erworben. Die Ausstrahlung des Originals spricht meiner Meinung nach dafür, dass sie noch im Kult verwendet wurde.

Die tatsächliche Verwendung dieses Stückes bleibt im Dunkel – wobei ich schon glücklich darüber war, überhaupt klären zu können, woher es stammt. Der Informant, der aus einer Familie mit langer Tradition von schwarzafrikanischen Händlern stammt, konnte zwar die Herkunft bestimmen, aber der exakte Verwendungszweck war auch ihm nicht bekannt. Er kannte diese Art von Maske nur deshalb, weil sein Vater ein einziges Mal in seiner langjährigen Tätigkeit ein vergleichbares Exemplar in Händen hielt. Er konnte diese vor Ort in Tabou erwerben, und mit einiger Verzögerung dann ans Musée du Quai Branly in Paris vermitteln. Ihm war die Seltenheit dieser Form von Maske bewusst, so dass er auf das Angebot eines Museums warten wollte.

Der Entenschnabel dient meines Erachtens dazu, die Stimme zu verfremden; was man in einem praktischen Versuch ganz einfach wahrnehmen kann. Ein ähnlicher Effekt lässt sich bei manchen der Masken des Kifwebe Bundes beobachten. Dort hat die röhrenartige Mundöffnung zusätzlich eine Art „Schnecke“ eingeschnitzt, so dass die Stimme weiters verzerrt wird – je nachdem, mit welcher Stimmlage man spricht oder gar ruft. Eine dieser höchst kunstvoll geschnitzten „archimedischen Schrauben“ befindet sich im Mundfortsatz einer meiner Kifwebe Masken des Volkes der Songye (auch Bassonge genannt).

Die röhrenförmig ausgebildeten Augen dienen meiner Meinung nach einem ähnlichen Zweck. Sie verbergen die Augenfarbe und erzwingen eine Art von Fokussierung auf den betrachteten Gegenstand. Dieser Fokus wird selbstverständlich auch vom Zuschauer des Rituals wahrgenommen. Auch hier ist wieder eine Entsprechung zu den dicken Augenwülsten der Kifwebe Masken und der damit einhergehenden Verschattung der Augen des Maskierten zu finden.

Insgesamt hat diese Maske eine gewaltige Ausstrahlung und sendet eine geheimnisvolle Aura aus. In diesem Fall hat das Objekt kein unfreundliches oder gar unheimliches Charisma, sondern stellt eher eine ambivalente Figur dar, die – möglicherweise – auf gegensätzlichen Seiten in der Ausführung des Ritus eine Rolle spielen kann. Da mir die Verwendung in kultischen Handlungen sicher scheint, ist die erfolgte „Aufladung“ in diesem Stück besonders intensiv. Erstaunlicherweise verlieren sich diese Arten der Aufladung nicht mehr. Das kann man auch bei christlichen Figuren spüren. Wenn diese lange im „Gebrauch“ waren, sind sie ebenfalls mit einer starken auratischen Patina behaftet. Dieses geheimnisvolle Phänomen kann man selbst noch in den Kunstwerken der alten Ägypter wahrnehmen. Ich habe diesen Effekt immer wieder hautnah erlebt, da ich doch einige dialogische Ausstellungen mit christlichen Plastiken und Skulpturen durchgeführt habe („en face“ im Museum St. Afra in Augsburg; „Im Dialog“ im Diözesanmuseum Eichstätt; sowie eine Ausstellung in der Städtischen Galerie in der Badstube in Wangen mit dem sinnreichen Titel „600 Jahre oberschwäbische Plastik im Dialog mit Harry Meyer" von der Romanik bis zum Barock – die historischen Stücke stammten aus verschiedenen Sammlungen, zum Beispiel dem Museum Biberach und der Kunstsammlung des Zweckverbands Oberschwäbische Elektrizitätswerke OEW in Ravensburg).

Als Maske gilt im Übrigen das gesamte „Kostüm“ inklusive Kleid, Kopfbedeckung, rituellen oder wirklichen Waffen, Schuhen, Bemalungen usw. Die Gesichtsmaske ist der zentrale, wichtigste Teil davon. Der Maskierte verändert seine Stimme, und seine Bewegungsabläufe sind modifiziert. In diesem spirituellen Zustand spielt er keine Rolle, vielmehr lebt er diese. In manchen Verkleidungen werden „nur“ Unterhaltungen geboten – genauso wichtig jedoch ist ihre religiöse oder soziale Bedeutung.

Durch die Maskierung verändert sich die Grenze zwischen Illusion und Realität. Aus Menschen werden Geister, Götter oder Zeremonienmeister, mit den ihnen zugeschriebenen Kompetenzen. Die Entstehung dieser „Masken“ kommt aus den Tiefen der menschlichen Geschichte. Das Bedürfnis, zu einem übergeordneten Wesen zu mutieren, war wohl schon immer ein Bedürfnis des Homo, ist also Teil der Conditio Humana. Grundlegende Aspekte dieser wurden z. B. von der Philosophin Hannah Arendt intensiv in ihrem Buch „Vita Activa“ befragt. Der streitbare französische Philosoph und Semiotiker Roland Barthes widerspricht derlei Grundbedingungen des Menschseins und bezeichnet diese als missverstandenen Mythos, gar als ein Märchen.

Bei der sogenannten „afrikanischen Kunst“ handelt es sich hauptsächlich um nicht-materielle, oder zumindest um komplex materielle, kulturelle Ausdrucksformen oder Kunstwerke von animistischen Vorstellungen über die Welt, denen unser westliches Verständnis nur schwer beikommt. Eine rein ästhetische Betrachtung, die weit verbreitet ist, wäre hier sicher falsch. Die exotische Aura mit ihrer abstrahierenden Formensprache verleitet natürlich dazu. Diese Aura war es auch, welche die Künstler der klassischen Moderne inspirierte. In den Sammlungen von Picasso, André Breton, Brâncuși usw. waren verblüffend viele Objekte der alten Animisten aus Afrika vertreten.

Begriffe wie Primitivismus, „art nègre“ oder gar die berüchtigte Bezeichnung „Negerplastik“ von Carl Einstein lassen sich auf diese wunderbaren Produkte einer Jahrtausende alten, hoch differenzierten Kultur nicht anwenden. Sicher ist, dass eine „kulturneutrale“ Betrachtung für diese Artefakte nicht möglich ist. Wir können uns nur ihrer jeweiligen Ausstrahlung überlassen und versuchen, eine „Inspiration“ daraus zu gewinnen.

Wichtige Zentren der traditionellen Stammes-Kunst sind in Mali der Stamm der Dogon und Banama, in Burkina Faso die Bobo und Mossi, in Gabun die Fang, Kota und Kwele, und in der Demokratischen Republik Kongo (das frühere Zaire) die Luba, Songye, Lega und Kuba. Hinzu kommen die Chokwe aus Angola sowie die Senufo, Dan und Baule in der Elfenbeinküste.

Insbesondere die Objekte der alten Nok Kultur (ca. 500 v. Chr.) in Nigeria, oder auch die sogenannten Benin-Bronzen, üben einen besonderen Reiz auf Geist und Auge aus. Diese Bronzen gelten als Raubgut aus einer hauptsächlich britischen Strafexpedition von 1897.

Das alte Königreich in Benin, das seine Blütezeit vom fünfzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert erlebte, ist durch seine Messinggüsse und durch die jetzt kontrovers diskutierten Eigentumsverhältnisse an den Benin-Bronzen in deutschem Museumsbesitz im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Werke aus dem Palast des ehemaligen Königreichs Benin sollen im Berliner Humboldt-Forum ausgestellt werden. Die Hauptleihgeber sind das Linden-Museum in Stuttgart, das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln, sowie die Völkerkundemuseen in Dresden und Leipzig. Wichtige Stücke finden sich auch im Ethnologischen Museum in Berlin.

Wie die meisten erfolgreichen Staaten war auch das Königreich Benin ein – man würde heute sagen – Raubtierstaat schlimmster Prägung. Viele Jahrhunderte plünderte es sämtliche Nachbarn, war Geschäftspartner der Portugiesen beim frühen Sklavenhandel und opferte in grausamen Ritualen Verurteilte und Kriegsgefangene.

In seinem 1968 erschienenen Roman „Das Gebot der Gewalt“ berichtet uns Yambo Ouologuem (1940-2017) aus achthundert Jahren afrikanischer Geschichte: der Geschichte der Gewalt, der schwarzen Magie und des Krieges des fiktiven Reiches Nakem. Er wurde dafür als erster Afrikaner mit dem Prix Renaudot ausgezeichnet. Weitere Schriften von ihm sind u. a. „Lettre à la France nègre“ und „Les mille et une bibles du sexe“. Leider wurden diese nie übersetzt, so dass es mir mangels Sprachkenntnis nicht möglich ist, sie ebenfalls zu lesen.

Reflexionen

Reflexionen #4

Georg Bussmann

Georg Bussmann hatte 2011 in Aachen in der Galerie freitag 18.30 eine treffende Rede über meine Arbeit gehalten. Damals sind wir übereingekommen, dass er ein Vorwort für mich schreibt. 2016 war es dann soweit und er hat für mein Katalogbuch  "Atelier und Ausstellung" den einführenden Essay "Gestalt und Nichtgestalt" geschrieben. Diesen Essay kann man zur Gänze unter Info/Texte nachlesen. Er besuchte mich im Atelier, um sich einen Überblick zu verschaffen. Damals hatte er schon angekündigt, dass dies sein letzter Text werden würde - was ich ihm nicht glauben wollte, da ich seine Begeisterungsfähigkeit kenne.

Somit ist „Gestalt und Nichtgestalt“ wohl wirklich sein letzter Essay zur Gegenwartskunst (er hat seither nichts mehr veröffentllicht).

Zur Person

Bussmann (geb. 1933) war Leiter des Badischen Kunstvereins in Karlsruhe, wo er durch politisch-aufklärerische Ausstellungen großes Aufsehen erregte. Seine legendäre Ausstellung "Kunst und Politik" wurde von der Kunsthalle Basel übernommen. Von 1970-80 leitete er den Frankfurter Kunstverein. Dort konzipierte er die vielfach rezipierte Ausstellung "Kunst im 3. Reich - Dokumente der Unterwerfung". Diese wurde im Anschluß im Kunstverein Hamburg, in der Kunsthalle Basel und im Von der Heydt Museum in Wuppertal gezeigt. Seine Abschiedsausstellung in Frankfurt, bevor er 1980 eine Professur für zeitgenössische Kunst in Kassel antrat, war eine große Werkschau mit Man Ray.

Reflexionen 4

Reflexionen #5

Sternenlichter

Polyptychon, 2021- 2022, 212 x 227 cm, Öl auf Leinen

Funken der Ewigkeit

Seit Jahrtausenden betrachtet der Mensch den nächtlichen Himmel – so unerreichbar fern entrückt, so wundersam faszinierend – und auch ein wenig furchteinflößend. Für den Philosophen Michel de Montaigne resultiert genau hieraus die Verehrung für die Himmelskörper, prophylaktisch, vorsichtshalber sozusagen: Kein Mensch hat sie je besucht, nichts Genaues weiß man nicht.

Und die feurig leuchtenden Sterne Harry Meyers?

Das Anliegen des Künstlers von Anbeginn seines Schaffens ist die urwüchsige, ungebändigte, gewaltige Kraft der Natur. Das Element Feuer brüllt sich in Rage, das Leuchten spricht, und erzählt vom Scheiterhaufen Giordano Brunos (1548-1600), der als erster frühneuzeitlicher Philosoph ein unendliches Universum ohne Zentrum postulierte – damals Ketzerei! Das Numinose oder seine Personifikationen hatten sich wohl vor den irdischen Streitereien in eben diese Unendlichkeit geflüchtet – wogegen Harry Meyers Sterne mit Lichtblitzen und Energie-Explosionen protestieren. Das Leuchten der Sterne vor der nächtlichen Finsternis verstärkt die Dunkelheit und macht sie gesteigert erlebbar – eine Dunkelheit, in der das Licht der Erkenntnis noch nicht erglänzt.

Der Künstler greift nach den Sternen, nicht weil er auf der Erde nichts mehr verloren oder schon alles gefunden hätte, sondern weil er die Betrachter zu einer Umkehr der Blickwinkel auffordert: Unsere weltlichen, vergänglichen Unzulänglichkeiten werden in den Kosmos projiziert, strahlen zurück und ermöglichen dem Menschen in dieser von außen kommenden Betrachtung die Chance zur Selbstreflexion.

Brigitte Herpich

Reflexionen 5

Reflexionen #6

Tannen

Triptychon, 2021, 136 x 374 cm, Öl auf Leinen

Drei Tannen

Ein Triptychon ist eine Bildform, in der die Haupt- und die Nebenbedeutungen, oder der neutrale Sinngehalt einer Bildidee und die daraus folgende Logik (die sich über alle drei Bildteile hinzieht), eines Themas zu einer prägnanten Aussage entwickelt werden können. Kommen die Variation der Farbtöne, deren komplementäre Kontraste und der entsprechende Bildaufbau hinzu, entsteht eine „Bild-Vision“. Auch eine Verwendung von z.B. oppositionellen Bildideen in einem Sinnzusammenhang, lässt sich in der Bildform Triptychon, Diptychon oder Polyptychon besonders gut darstellen. Da hier Mehrdeutigkeiten, „Antonyme“ und Zusammenhänge miteinander verwoben, und dadurch sich gegenseitig erklärend, aufgezeigt werden können.

Harry Meyer

Reflexionen 6

Reflexionen #7

Bergleben

Strukturgeber der Topographie, petrifizierte Natur und Archiv der Erdgeschichte, Be- und Abgrenzung von Wetterzonen ebenso wie von Kultur- und Lebensräumen. Auch für die geistige Topographie sind die Berge bedeutsam: in der Schwebe zwischen Schreckens- und Sehnsuchtsort, und zwei Welten gleichermaßen zugehörig – dem himmelsstrebenden Geist und der erdgebundenen Materie.
Auch Harry Meyers Berge sind solcher Ambiguität verhaftet, und sie wirken, um mit einem modernistischen Begriff zu sprechen, „multifunktional“. Das Gebirge der blauen Ferne trifft kleine hügelbildende Farbhäufungen in Blickweite, gewaltige Schluchten und Kare deszendieren zu schmalen Gräben und kunstvoll drapierten Fältelungen. Sonnenbeschienene Gipfel, Schatten der Dämmerung, lichte Wärme, starrer Frost – sämtliche Tages- und Jahreszeiten in Farbe gefasst.
Stark abstrahiert, ist der Berg nicht zwingend sofort erkennbar – die ihm eigene Schönheit jedoch ist stets augenfällig.
Und wo ist der Mensch? Harry Meyer hält hinter dem Berge mit ihm, und beschützt vor ihm des Berges archaische, gravitätische und doch verletzliche Natur – als unveräußerlich!

Brigitte Herpich

Reflexionen 7

Reflexionen #8

Der Klang der Tiefe

Das Wasser als Ursprung und Sinnbild des Lebens beschäftigt Harry Meyer seit Langem – Regenbilder waren eine der ersten Serien in der Reihe seiner Naturbilder. Welches Mysterium aber nun birgt das blaue Meer?

Wohl jeder kennt das sprachliche Bild der Wogen, die sich türmen wie Berge – letztere ein Sujet, mit dem sich Harry Meyer ebenfalls künstlerisch auseinandersetzt. „Wellenberge“ stehen für eine Zusammenführung der Elemente Wasser und Erde, für eine Vereinigung des Verschiedenen zu einem neuen Ganzen. Die Höhe des zum Himmel strebenden Berges setzt sich fort in der Tiefe des Meeres, aus welchem er emporsteigt, und in dessen Abgründen ein nicht unwesentlicher Teil von ihm verborgen ist. Wer bereit ist, mit dem Maler tief zu tauchen, kommt elementaren Wirkungskräften auf den Grund: Himmel, Erde, Wasser – alles kristallisiert in einem Augenblick, der  Vergangenheit ist, bevor er gesagt werden kann. Das Geheimnis verliert sich, im Spiel der kräuselnden Wellen – alles ist ruhig. Was bleibt, umschreibt der Dichter Hermann Broch als „azurenes“  Echo – ein Nachhall des Blicks in die Bläue des Himmels auf dem Gipfel des Berges, der im Meer watet.

Brigitte Herpich

Reflexionen 8

Begegnungen mit...

Hans Josephsohn

Die erste Begegnung mit dem Werk von Hans Josephsohn hatte ich bei einem Freund, der einige kleine Plastiken und Bleistift Zeichnungen von ihm besaß. Die Ausstrahlung und die Machart der Bozzetti (skulpturale Skizzen) nahmen mich sofort gefangen. Josephsohn (Jahrgang 1920) war mir bis dahin völlig unbekannt gewesen, obwohl er bereits in 1946 und 1955 bei Ausstellungen im Helmhaus in Zürich beteiligt war und dort 1964 von René Wehrli auch mit einer Einzelausstellung gezeigt wurde. Im Jahr 1965 konnte er bereits eine Doppelausstellung mit Gustav Stettler in der Kunsthalle Basel präsentieren. Dennoch blieb er der großen Öffentlichkeit außerhalb der Schweizer Kunstszene komplett unbekannt.

Begegung mit Hans Josephson

Die erste Begegnung mit dem Werk von Hans Josephsohn hatte ich bei einem Freund, der einige kleine Plastiken und Bleistift Zeichnungen von ihm besaß. Die Ausstrahlung und die Machart der Bozzetti (skulpturale Skizzen) nahmen mich sofort gefangen. Josephsohn (Jahrgang 1920) war mir bis dahin völlig unbekannt gewesen, obwohl er bereits in 1946 und 1955 bei Ausstellungen im Helmhaus in Zürich beteiligt war und dort 1964 von René Wehrli auch mit einer Einzelausstellung gezeigt wurde. Im Jahr 1965 konnte er bereits eine Doppelausstellung mit Gustav Stettler in der Kunsthalle Basel präsentieren. Dennoch blieb er der großen Öffentlichkeit außerhalb der Schweizer Kunstszene komplett unbekannt.

Auch Ausstellungsbeteiligungen in der Zürcher Galerie Lelong und in der Galerie Bob van Orsouw in Zürich zur Jahrtausendwende konnten daran nichts Wesentliches ändern.

Bei einem meiner Besuche in seinem Zürcher Studio erzählte er mir, dass auch dem Documenta Macher Harald Szeemann (der auf die Empfehlung der Galerie Rolf Ricke 1972 zum jüngsten Leiter der Documenta 5 „Befragung der Realität – Bildwelten heute“) bestellt wurde, sein bildnerischer Kosmos verschlossen blieb und er ihn nicht in den von ihm kuratierten Ausstellungen zeigte. Dies verwundert umso mehr, da Szeemann ja eigentlich als sehr aufgeschlossen galt. Vielleicht liegt eine Erklärung darin, dass Josephsohn seine Kunst aus der traditionellen klassischen Bildhauerei heraus entwickelte, die er durch einen zum Teil jahrzehntelangen Prozess über Zeit und Gedankenbrücken hinweg zu seiner Form vollendete, und dadurch als traditionell-klassischer Bildhauer gelten muss – anders als z. B. Giacometti, dessen Werk aus der Avantgarde der Pariser Kunstszene erklärbar ist. Durch diesen evolutionären Entwicklungsprozess hat Josephsohn gewissermaßen die Moderne übersprungen (ähnliches tat im Übrigen auch Wilhelm Uhlig in Bayern – dies wurde mir allerdings erst klar, als ich eine große Einzelausstellung von Uhlig in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München sah).

Josephsohn hat mir ca. 2003 berichtet, dass es „Liegende“ gebe, die er ungefähr 1960 begonnen hat. Die Plastiken begleiteten ihn im Grunde ein ganzes reifes Künstlerleben lang und wurden immer wieder den neuen Überlegungen angepasst. In dieser Tatsache liegt sicher begründet, dass mancher Kunstsachverständige, der ja auf der Suche nach der Spitze des zeitgenössischen Schaffens war, Josephsohn nicht richtig einzuordnen wusste. Gerade durch dieses „Überspringen“ der Moderne ist es möglich, einen allgemeingültigen Ansatz zu bewerkstelligen, welcher sich vollkommen neu denkt und somit wohl wiederum zu einer Art Avantgarde wird: Ein künstlerischer Schritt, den nur wenige gingen – und überhaupt gehen könnten. Meist waren dies Persönlichkeiten, die ein mehr oder weniger einsames Künstlerdasein führten, wie dies eben auch Josephsohn lebte. Seit Anfang der neunziger Jahre bereits gibt es ein eigenes kleines Museum im Tessin, La Congiunta, das der Architekt Peter Märkli und seine Mitstreiter für Josephsohns Werk gebaut haben. Seither kann man La Congiunta besuchen, wenn man vorher den Schlüssel in der Osteria in Giornico abholt …. da war man dann immer alleine mit seiner plastischen Welt – in Zwiesprache versunken. Auch im Kesselhaus der Gießerei Felix Lehner in St. Gallen sind seit ca. 2004 Werke von ihm öffentlich zugänglich.

Im selben Jahr (2003), in welchem er den Kunstpreis der Stadt Zürich erhielt, wurde Josephsohn im „Museum Ostdeutsche Galerie“ in Regensburg gezeigt – ein Museum, in dem ich in meiner Jugend meine ersten Begegnungen insbesondere mit den Bildern von Lovis Corinth, Max Klinger, Max Beckmann oder Anselm Kiefer hatte. Auch habe ich dort die erste Rauminstallation von Dan Flavin im Original erlebt: Eine Hommage an den Bildhauer Otto Freundlich.

Den Raum für Sonderausstellungen im „Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg“ (so der heutige Name) betritt man durch eine zweiflügelige Glastür, durch die hindurch man den ganzen Raum überblicken kann. Meine erste Empfindung war, dass ich an diesem Ort physisch wohl keinen Platz mehr finden würde, da die Halle voll war mit dieser vibrierenden Energie aus geronnener Zeit, angefüllt mit der Aura der ausgestellten Werke (ein vergleichbarer Fall liegt z. B. bei Eugène Leroy vor, oder bei den späten Acrylbildern von Werner Knaupp). Dieser Aspekt, „Zeit“, ist einer der Grundpfeiler, die meinen Zugang zum Werk von Josephsohn für mich ausmachen. Ein körperliches Empfinden, das ich während der gesamten Dauer meines ersten Ausstellungsbesuchs verspürte.

Mit der Überzeugung, dass Hans Josephsohn einer der wichtigsten Vertreter seiner Generation in der Bildhauerei Europas sei (wie Alberto Giacometti, Emil Cimiotti, Hans Arp, Wilhelm Lehmbruck, Aristide Maillol oder Henri Moore), bin ich an jenem Tag von Regenburg wieder zurück nach Augsburg gefahren. Einen zweiten Besuch der Ausstellung unternahm ich zusammen mit dem evangelischen Pfarrer der Darmstädter Stadtkirche, Martin Schneider. Er hatte in seiner Kirche eine Ausstellungsreihe mit Bildhauern der Gegenwart initiiert, und dort habe ich einige der wichtigsten figurativen Bildhauer gesehen, wie z. B. Michael Croissant, Rolf Szymanski, Joannis Avramidis, Dietrich Klinge, Magdalena Abakanowicz, Eric Fischl, Per Kirkeby, Jaume Plensa, David Nash, oder Eckhard Kremers. Und im Rahmen dieser Reihe war Josephsohn der Nächste.

Mit dem damaligen Direktor in Regensburg, Dr. Pavel Liška, und Martin Schneider war schnell der Entschluss gefasst, einen gemeinsamen Katalog zu erstellen, der die Ausstellungen im Kunstforum Ostdeutsche Galerie und in der Stadtkirche in Darmstadt dokumentieren sollte. Da dieses Katalogprojekt mein Vorschlag gewesen war, habe ich dann auch die Erstellung des Ausstellungsbuches übernommen, das in 2004 erschien, mit Texten von Pavel Liška, Martin Schneider und Brigitte Herpich („JOSEPHSOHN - Zwei Ausstellungen“; ISBN 3-93543-29-X). Damals waren noch nicht viele Publikationen zu Josephsohn erschienen; diese Lücke wollten wir füllen und ihm damit eine Hommage für sein Lebenswerk an die Hand geben.

Im selben Jahr 2004 hat dann bereits die Peter Blum Gallery in New York seine Bronzen gezeigt. Heute wird sein Werk von den Galerien Felix Lehner und Hauser und Wirth vertreten, und es gibt eine relativ große Anzahl von Veröffentlichungen über ihn und seine Plastiken. In den darauffolgenden Jahren habe ich Josephsohn verschiedentlich in seinem Atelier in Zürich besucht, oder ihn bei unserem gemeinsamen Freund Martin Schneider in Darmstadt getroffen. Er hatte seit den 1960er Jahren mitten in Zürich sein Atelier, in dem er bis ins hohe Alter seine Tage mit der Arbeit an seinen Plastiken verbrachte. In dem kleinen Ateliergarten waren in diesen Jahren alle seine Werke, die damals noch nicht gegossen waren, in Gips zu sehen.

Die Güsse, denen ich dort noch als fragiles Gips-Modell begegnet war, sehe ich heute in Museen oder Ausstellungen wie dem MMK Museum Moderner Kunst in Frankfurt, wo Josephsohn von Udo Kittelmann gezeigt wurde, im Diözesanmuseum Kolumba in Köln, im Palais de Tokyo in Paris, in der Parasol Unit Foundation for Contemporary Art in London oder auf der Biennale in Venedig. Auch der damalige Direktor Rudi Fuchs zeigte Josephsohn aufgrund eines Hinweises von Günther Förg bereits in 2002 im Stedelijk Museum in Amsterdam. Dies war wohl der Anfang seiner späten Künstlerkarriere. Seither ist sein Werk in zahlreichen öffentlichen Institutionen gezeigt worden, wie dem Museum Liner in Appenzell, dem Modern Art Museum in Oxford, dem Yorkshire Sculpture Park in Wakefield, dem Hamburger Bahnhof in Berlin, und dem Lehmbruck Museum in Duisburg – um nur eine kleine Auswahl institutioneller Ausstellungen aufzuführen.

Seit auf der Armory Show 2009 in New York die Galerie Hauser und Wirth eine Einzelausstellung mit Josephsohns Kunst präsentiert hat, wird sein bildnerischer Beitrag zur Geschichte der Plastik weltweit wahrgenommen. In den darauffolgenden Jahren haben weltweit mehrere Galerien (wie die Gladstone Gallery in New York, die Galerie Laurent Godin in Paris, die Tomio Koyama Gallery in Tokio und Kyoto, und die Gallery Gavin Brown in New York, seine Werke gezeigt).

Atelierbesuch/Arbeitsweise

Eines der aussagekräftigsten Dokumente, die es über Josephsohn gibt, ist der Film von Peter Münger „Hans Josephsohn, Bildhauer“ von 1996/1997. Münger porträtierte im Übrigen auch in einem filmischen Beitrag von 1985/1991 Josephsohns Lehrer, Otto Müller. Zu der Feststellung, dass seine Künstlerkarriere im Grunde erst mit über 80 Jahren begann, kommentiert er, dass ihm eine frühere Wahrnehmung – und die daraus folgende Anerkennung – wohl zu Kopf gestiegen wären – da sei er „eigentlich der Typ dafür“. Aber in seinem (d. h. jetzigen) Alter, fügt er hinzu, sei er froh, noch jeden Tag in seinem Atelier sein zu dürfen.

Bei einem Atelierbesuch bei Josephsohn kam ich mit dem Auto aus Freiburg gefahren. Dort hatte ich gerade mit einem meiner Galeristen das Projekt einer Doppelausstellung auf der ART Karlsruhe besprochen, zu der auch ein kleiner Katalog erscheinen sollte: „Zwei Maler - Artur Stoll und Harry Meyer“. Ich kam ein wenig zu spät, und Josephsohn begrüßte mich mit Gips an den Händen, da er anscheinend die Wartezeit mit Arbeit überbrückt hatte. Ich hatte mich schon immer gefragt, wie sich manche der Strukturen in seinen Bronzen erklären ließen. In diesem Moment wurde mir sofort klar, dass diese fließenden Bewegungen im Gips, welche dann in Bronze abgebildet werden, nur mit dem Auftrag durch die bloßen Hände zu erklären sind. Ich habe ihn natürlich sofort darauf angesprochen – daraufhin zeigte er mir eine Weile, wie er beim Modellieren vorgeht.

Das Modellieren mit dem Spachtel bzw. mit der Hand erzeugt zwei höchst unterschiedliche Strukturen: Die Hand trägt in einer Art von sensibler Berührung den Gips auf, um vorhandene Strukturen zu überdecken und gleichzeitig diese in der Grundform zu erhalten und neu zu umschreiben, oder aber um dieser Grundform eine neue Richtung und Form zu geben. Josephsohn hatte auch eine Art von vorgefertigten Gipsplatten vorrätig, die er dann, mit Gips bestrichen, zum Aufbau von Volumen nutzte. Diese Platten dienten auch dazu, Plastiken, die im Entstehen waren, weiter zu entwickeln. Er zeigte mir, wenn man diese mit Gips angehefteten Platten (diese waren vielleicht Handteller groß, also ca. 12 x 18 cm, aber auch große mit vielleicht 40 x 100 cm kamen zum Einsatz) im trockenen oder halbtrockenen Zustand wieder mit einem Gipser Beil abschlug, dass sich durch diesen Prozess eine ganz eigene Struktur ergab. Eine Struktur, die auch davon „gesteuert“ wird, wie der Bildhauer die Gipsplatten mit Gips einstreicht, um sie dann anschließend anzuheften. Sein Arbeitsprozess wird immer von einer „Vorstellung“, einer Vision, bestimmt, die sich langsam, in Interaktion mit dem Prozess, entwickelt.

Ich meine, dass durch diese Arbeitsweise ein wenig das Unkalkulierbare ins Spiel kommt, das nicht Planbare, das sich von der ursprünglichen Idee oder Vorstellung wieder entfernt hat. Da spielen mannigfaltige Dinge plötzlich eine Rolle: Die Gestimmtheit des Künstlers beim Nachempfinden der Form, wenn er mit der bloßen Hand diese neu beschreibt. Oder auch der Plattenauftrag, welcher in Form und Größe nie gleich ist (es standen Platten in verschiedenen Ausmaßen zur Verfügung; manche waren ein wenig konvex, andere wieder konkav, die meisten geometrisch gerade und vermutlich in Formen gegossen – leider habe ich ihn dazu nie befragt). Beim Abschlagen entstehen Strukturen, die zwar vom Künstler gemeint sind, aber nicht bis ins letzte Detail „gewollt“. Diese werden nicht stehen gelassen, sondern in einem nächsten Schritt wiederum mit der Gips-Hand nachgeformt. In diesem – immer wiederholten – Vorgehen, darf sich die Form um jeweils ein weniges ändern, was einem gewissermaßen evolutionären, Vorgang gleichkommt. Ich vermute, dies ist eine ganz wesentliche Aneignung, da Josephsohn immer vom realen Modell ausging. Um davon eine Plastik entstehen zu lassen, ist eine Strategie notwendig, um zu einer Geltungskraft zu gelangen, die nichtsdestoweniger Anlass und Ursache – das Modell und die Person – in sich trägt und von innen heraus darstellt.

So geheimnisvoll diese Werke Josephsohns auf den ersten Blick wirken, so sehr sind sie doch in ihrer Erscheinungsform von seinem ureigenen Annäherungsprozess her zu erklären und von diesem bestimmt. Diese seine Arbeitsweise ist recht gut auf dem auf you tube veröffentlichten Film „Sculptor Josephsohn“ zu sehen, der den Künstler in seinem Atelier bei der Arbeit zeigt.

Anläuten

Telefonate mit Josephsohn sind wunderbar beschrieben in dem Text „Anläuten“ von Martin Schneider in dem von ihm und mir 2004 herausgegebenen Katalog „JOSEPHSOHN - Zwei Ausstellungen“. Bei Telefonaten mit ihm ist mir von Anfang an aufgefallen, dass es mir – hätte ich es nicht gekannt – nicht möglich gewesen wäre, sein biologisches Alter zu benennen, wenn ich ihm so zuhörte. Es war immer eine Unterhaltung wie unter gleichaltrigen Gesprächspartnern. Weder von seiner Stimmlage noch von seinem Redefluss her hätte ich einen Anhaltspunkt in dieser Richtung gehabt, da er so gut wie nie – wie ältere Menschen das häufiger tun – von „früher“, sprach, sondern meist von der Gegenwart, oder aber er erzählte von Plänen und Vorhaben, die er noch beabsichtigte, umzusetzen. Dies ist nur eines der wunderbaren Details, die mir gezeigt haben, mit welch außergewöhnlichem Menschen ich es zu tun hatte.

Als wir zum ersten Mal bei ihm zu Hause waren, um ein Abendessen einzunehmen, ist mir schnell die Abwesenheit von Raumschmuck aufgefallen. Es waren in der gesamten Wohnung nur ganz wenige Zeichnungen an den Wänden, und – in meiner Erinnerung – nur eine einzige seiner „Kopf“ Plastiken zu sehen. Auf meine Frage hin, ob er gar nichts an Plastiken oder Bildern von Freunden in der Wohnung habe, sagte er „Doch, doch, ich habe Bilder von Freunden, die ich bei Bedarf hervorhole, um sie mir zu betrachten.“ Nach dem Essen holte er auch einige dieser Kunstwerke aus einem angrenzenden Zimmer, um sie mir zu zeigen. Da keine Nägel in den Wänden waren, wurden die Werke rund um uns herum auf den Boden gestellt und nach der Betrachtung wieder verräumt. Eine Methode, die er immer so angewandt hat, um in seiner Wohnung diese einzigartige Form der Stille herzustellen.

Begegnungen